"Die Entstehung und Therapie von posttraumatischen Belastungsstörungen"

- Trauma-Heilung -

  

 - Ein umfangreiches Vortragsmanuskript - © Copyright Jörg C. Zimmer

 

  Der Begriff  Trauma  oder traumatisches Erlebnis wird in der Umgangssprache sehr vage benutzt und auf jede Art von seelischer oder körperlicher Verletzung angewandt. Wenn ich im folgenden von Traumata  spreche, so sind dagegen solche traumatischen Erfahrungen gemeint, die sich nachhaltig und dauerhaft belastend auswirken und sich als eine chronische Hemmung und Störung im seelisch-körperlichen Energiefluss bemerkbar machen. Der geläufige Begriff dafür ist die „posttraumatische Belastungsstörung“, die mit einem wiederkehrenden traumatischen Stress einhergeht.

 

     Solche ernst zu nehmenden Traumata entstehen durch Ereignisse, die für unseren Organismus – konkret gesagt: für unser Nervensystem - überfordernd und überwältigend gewesen sind und eine dauerhafte Stauung und Verkrampfung bewirkt haben. Die Auswirkungen von Traumata auf unsere seelische und körperliche Verfassung können außerordentlich vielfältig sein.

- Auf die Symptome, die dadurch entstehen, werde ich erst an späterer Stelle zu sprechen kommen.

  Traumata entstehen häufiger, als man gemeinhin annimmt, und das Verständnis dafür ist bedauernswert gering. Dazu will ich den amerikanischen Traumaexperten Dr. Peter Levine aus einem seiner Bücher zitieren, wo er schreibt:

 „Ein Trauma ist die am meisten vermiedene, ignorierte, verleugnete, missverstandene  und unbehandelte Ursache menschlichen Leidens.“

    * Dr. Peter A. Levine ist seit 45 Jahren - als medizinischer Biologe und Psychologe - in der Forschung und Therapie von posttraumatischen Belastungsstörungen engagiert.  Er ist der Entwickler des 'Somatic Experiencing' (SE) und Gründer und Präsident der Foundation of Human Enrichment in Lyons (Colorado, USA).  Zwischen 1999 und 2002 habe ich bei ihm eine Ausbildung in Somatic Experiencing absolviert und praktiziere seitdem u. a. diese therapeutische Methodik.

    - Literaturhinweise finden Sie am Ende des Kapitels 'Traumatherapie' -

 

      Zunächst möchte ich etwas über die möglichen Ereignisse und Ursachen sagen, die zu dauerhaft traumatischen Folgen führen können. Die Ursachen für chronisch gewordene Traumata können sehr vielfältig sein und aus aktuellen Erfahrungen ebenso wie aus Erlebnissen der Kindheit oder Jugend herrühren, da die spürbare Symptombildung oft mit großer zeitlicher Verzögerung eintritt.

   Häufige Ursachen sind: gravierende Unfälle oder Stürze,  Schock- und Angsterlebnisse oder Gewalteinwirkung, Verletzungen oder schwierige Operationen, Krankenhaus-Isolation als Kind, sexueller Mißbrauch oder auch Traumata aufgrund einer schwierigen und langwierigen Geburt.

 

  Vereinfacht gesagt, entsteht ein Trauma in Situationen, in denen wir einer Bedrohung oder extremen Bedrängnis, einer Verletzung, einer anhaltenden Isolation, einem heftigen Schlag oder einer Katastrophe ausgesetzt sind – also in Situationen, die für unser Nervensystem überfordernd verlaufen sind, das heißt: das Erlebnis war zu heftig, zu schnell, zu schmerzhaft, zu bedrückend, zu beängstigend oder – in entsprechenden Fällen – auch zu beschämend. In der Folge davon schafft es unser Organismus nicht mehr, in einen ausgeglichenen Zustand zurückzukehren, sondern reagiert mit einer Art von dauerhaft fixierter Verkrampfung.

 

  Dabei ist nicht die Art des äußeren Ereignisses entscheidend, sondern unsere reflexhafte innere Reaktion darauf – und die ist naturgemäß von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Ein Ereignis, das für den einen Menschen eine extreme oder spannende Grenzerfahrung sein kann, könnte für einen anderen, der jünger, empfindlicher oder weniger widerstandsfähig ist, zu einem schockierenden Erlebnis werden.

 

  – Ein hochtrainierter Stuntman z.B. begibt sich in Actionfilmen in halsbrecherische und lebensgefährliche Situationen, die ein gewöhnlicher Sterblicher nicht ohne eine Traumatisierung durchstehen würde.  Ein Stuntman fährt z.B. im Crash-Auto durch eine Flammenwand und kann sich darauf zweimal mit dem Auto überschlagen – und dennoch steigt er am Ende aus dem Auto und schüttelt die extreme Erregung wieder von sich ab, sodass er mehr oder weniger in sein Gleichgewicht zurückfindet.

  Oder ein anderes Beispiel: Ein fünfjähriges Kind, das erst durchprügelt und dann in einen dunklen Keller gesperrt wird, entwickelt eine erstarrende Todesangst - während ein zehnjähriges widerstandsfähiges Kind vielleicht in der Lage ist, sich dabei in eine rebellisch aktivierte Phantasie hineinzuversetzen und später, zwar immer noch erregt, aber nicht traumatisiert daraus hervorzugehen.

 

   Ausschlaggebend für eine Traumatisierung ist also das jeweilige "energetische Drama", das sich in unserem hochempfindlichen autonomen Nervensystem abspielt. Denn es ist der Energiefluss im Nervensystem, der dabei  blockiert wird und „einfriert“. Ein Trauma ist also nicht eigentlich die erschreckende Erinnerung, sondern ein eingefrorener Energie-Stau in unserem Organismus.

Oder noch kürzer gesagt: nicht das Ereignis wird zum Trauma, sondern die physiologische Reaktion darauf, die zu einer Dissoziation im Unbewussten der Psyche führen kann (d. h. zu einem dissoziiertem Krampf, zu dem wir später nur schwer einen 'fühlenden' Zugang finden).

 

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   Hier stellt sich die Frage: Wie reagiert überhaupt unser autonomes Nervensystem, wenn wir einer überfordernden oder extrem bedrohlichen Situation ausgeliefert sind oder ein 'schlagartiges' Ereignis erleiden?  

In solchen Fällen aktiviert unser Organismus 'lebensrettende' Reflexe, die unwillkürlich inkraft treten.  Man unterscheidet dabei drei Arten:  es gibt den Kampfreflex, den Fluchtreflex, und es gibt den Erstarrungs- oder Immobilitätsreflex,  den man in der Umgangssprache auch als „Totstellreflex“ bezeichnet.

Diese drei Arten von Reaktionen können unter dem Eindruck von Bedrohung und Gefahr urplötzlich mit einem hohem Quantum von Energie aufgeladen und aktiviert werden. Der Körper gewinnt dadurch eine erhöhte Spannkraft und Leistungsfähigkeit.Und wenn alles gut verläuft, erlebt man mit ihnen äußerst spannende Momente – mit Flucht, Angriff oder auch Totstell-Reflex.

   Wenn Sie mal Ihre Erinnerung schweifen lassen, werden sie erkennen, dass die meisten spannenden Kinderspiele vom Aktivieren dieser natürlichen Reflexe leben. Beim Indianer-Spiel geht es um Angriff und Verteidigung. Oder denken Sie ans Fangen-Spielen, an das Spiel „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“, an „Räuber und Gendarm“ , an Raufereien oder ans Verstecken-Spielen. Immer tauchen dabei diese Reflexe auf: kämpfen, fliehen oder auch 'einfrieren' und sich nicht mehr rühren, wenn man vor einem Verfolger im Versteck hockt.

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  Damit Sie sich auch bildlich auf die mobilisierten Energien einstimmen können, die bei einer physischen Bedrohung entstehen, schildere ich Ihnen als Beispiel eine harmlose Episode aus der Kinderwelt: Die Szene spielt auf einer Apfelbaumwiese auf dem Lande. Ich verbringe dort ein Wochenende mit einer Freundin und ihrer fünfjährigen Tochter.  Die Kleine quengelt und fordert mich auf, etwas Spannendes zu spielen.

Ich schlage vor: Rotkäppchen und der Wolf.  Den Wolf spiele natürlich ich und verwandle mich in ein gefährliches, angriffslustiges Tier:  die Zähne und die Klauen zeigen, eine bedrohliche Grimasse machen mit sprungbereiter Körperhaltung – und schon beginnt die Verfolgungsjagd.  In der Fünfjährigen mobilisieren sich augenblicklich Reflexe aus dem Stammhirn   (die entwicklungsgeschichtlich in die Zeit zurückreichen, wo der Homo Sapiens als Wilder unter wilden Tieren lebte). Entsprechend reagiert das Kind:  Schreiend mit hohem Sirenenton rast es über die Wiese, um dem verfolgenden Wolf zu entkommen.  Das Mädchen  spielt Flucht, ich spiele Angriff und Verfolgung.

    Dabei entwickelt sie eine schier unglaubliche Energie und rast wie eine fliehende Gazelle, um ihr Leben zu retten. An der Lautstärke ihrer Stimme gemessen ist sie nur knapp dem Tode entronnen. Und doch scheint das Spiel mit den Rettungsreflexen von Angriff und Flucht auch etwas Lustvolles zu haben – die Kleine fühlt sich voll in ihrer Kraft.  Physiologisch gesehen wird dabei ein hohes Quantum an Adrenalin und anderen Hormonen ausgeschüttet, womit der Sympathikus stimuliert wird,  die aktivierende Seite des Nervensystems.

 

   Schließlich ändert sie mal ihre Überlebenstaktik, ergreift einen Stock und glaubt, mich mit diesem Kampfreflex in die Flucht zu schlagen. Doch ich entwinde ihr den Stock und die Verfolgung geht weiter, und es kommt dazu, dass ich sie mit der Hand erwische – in diesem Augenblick schaltet sie plötzlich um auf das Gegenteil: Sie lässt sich instinktiv ins Gras fallen, rollt sich wie ein Igel zusammen und spielt Totstellreflex. Sie liegt da wie ein krampfhaft eingeigeltes Knäuel, in dem ein rasendes Herz klopft.  Eben noch war das sympathische Nervensystem aktiv – jetzt hat es umgeschaltet auf den Parasympathikus, und das heißt auf „Vollbremsung“ und Erstarrung. (Noch sind wir im Spiel und nicht in einem drohenden Trauma.)

 

     Aber lassen Sie uns einmal einen schwereren Fall annehmen:  das  Kind hätte einen tiefhängenden Ast übersehen und wäre in vollem Tempo mit der Stirn gegen den Ast geprallt. Durch die Wucht des Aufpralls würde es zu Boden geschleudert werden. Was vorher ein freiwilliger Fall gewesen ist, wäre jetzt ein Unfall geworden. Nun sähe es sehr anders aus: Das Kind würde eine Zeitlang wie gelähmt am Boden liegen – zunächst würde man noch nicht einmal ein Schreien hören. Bei Stürzen erwartet man zwar das sofortige Heulen eines Kindes – es sieht aber eher aus, als würde das Kind kaum Luft kriegen. Das Gesicht ist blass und wie abwesend, die Augen schauen starr.  Und dann schließlich – nach langer Verzögerung – kommt doch noch das durchdringende Schreien.

   Es sieht so aus, als habe der Aufprall eine Druckwelle nach innen bewirkt, es folgt eine kurze Erstarrung des Organismus – das ist die physiologische Erstarrungsreaktion – die abgelöst wird von der Aktivierung des Schmerzes und des Schreiens.  Das heißt, die implodierte Energie kehrt sich wie eine Druckwelle um und explodiert wieder nach außen: Der Schmerzdruck kommt hier zum Aus-druck, und die physiologische Erstarrung löst sich wieder auf. Dadurch kommt es zu einem schmerzhaften Erlebnis, aber nicht zu einem Trauma. Die hochgeladene Energie wird hier nicht blockiert, sondern flutet wieder zurück.

 

  Bei heftigeren Unfällen sieht die  Entwicklung aber anders aus – dann geht im Nervensystem eine Art „Kurzschluss“ vor sich: Aufgrund des schlagartigen und überwältigenden Hindernisses wird der hochaktivierte Sympathikus vom gegenläufigen Parasympathikus reflexartig „abgebremst“und blockiert, und dabei bleibt die energetische Aufladung fixiert und „eingefroren“ und so entsteht ein Trauma.

     Vergleichen könnte man diesen Kurzschluss mit dem folgenden Bild: ein Rennwagen wird bei voll durchgetretenem Gaspedal gleichzeitig voll abgebremst. Dabei ist der (aufheulende) Motor hochaktiviert – und gleichzeitig blockiert. Einen solchen blockierenden Kurzschluss würde man – auf den Organismus bezogen – als traumatischen Schock bezeichnen. 

  Physiologisch ausgedrückt hieße das: die Abwehrreflexe des aktivierten sympathischen Nervensystems sind voll adrenalisiert, während sich gleichzeitig das parasympathische NS bremsend und blockierend darüber legt.

Aufgrund dieser Blockade bleibt die aktivierte Energie nachhaltig eingefroren. Ein geballter Schmerz findet keine Lösung mehr – ein hoher Druck kommt nicht zum Aus-druck, sondern bleibt als unterschwelliger Druck im NS auf kontrollierte und abgespaltene Weise bestehen. (Wenn man bedenkt, dass die kontrollierende Unterdrückung dabei stärker sein muss als die energetische Aktivierung, bekommt man eine Vorstellung davon, wie nachhaltig „geladen“ ein Trauma sein kann - auch wenn man diese "Hochspannung" später kaum noch adäquat wahrnimmt.)

  Bei einem 'schlagartigen traumatischen Schock' ist die blitzartig hochgeladene Aktivierung im NS so intensiv und derart komplex, dass wir sie nachtäglich nicht mehr wirklich nachvollziehen können. Denn unsere bisherigen Erfahrungen mit einer inneren Erregung reichen da gar nicht hin.

 

   Fragt man sich nach dem funktionalen Sinn der physiologischen Unterdrückung der Schmerzspannung, so ist die Antwort einfach: Durch die energetische Abspaltung des Schmerzes und der extremen Erregung bleibt ein verletzter Mensch weiterhin in der Lage, sich aus einer bedrohlichen Situation aktiv zu retten – denn die verdrängte und abgespaltene Schmerzspannung wird ihn nicht lähmen. (Folglich steht die physiologische Fähigkeit zur Abspaltung im Grunde im Dienst des Überlebens.) In einem extremen Schock kann die Erstarrung im NS einen Organismus allerdings auch vollkommen blockieren und ihn handlungsunfähig machen. Er verharrt dann eine Zeitlang in einer Schockstarre.

   Traumata gibt es natürlich in allen möglichen Graden, also geringe und gravierende Beeinträchtigungen und damit entstehen auch unterschiedliche Traumakomplexe, die leichter oder auch schwerer aufzulösen sind.

  

 (Säugetiere sind im Vergleich zum Menschen in ihren Abwehrmechanismen physiologisch einfacher organisiert. Sie haben keine derart starke Fähigkeit der Abspaltung und Schmerzkontrolle: Sie zittern und schütteln nach einer Traumatisierung die gespeicherten Spannungen sukzessiv wieder ab.)

  Weil die Energie mehr auf der Ebene des Stammhirns blockiert und eingefroren ist, haben wir kein deutliches Gefühl für die traumatische Verkrampfung. Anders als bei emotionalen Verletzungen, bei denen im Wesentlichen das‚limbische System’ im Gehirn in Reaktion geht, bewirkt ein Trauma eher ein vages und unterschwelliges aber dauerhaftes Druck- und Spannungsgefühl.

                 Manchmal erlebt ein Traumatisierter eine Art "Schüttelfrost", bei dem sein Organismus zittert und flattert. In dieser Zitterdynamik kann man den krampfhaften Kurzschluss erkennen. Die Erregung ist hoch: Impulse von Lösung und Kontrolle wechseln sich im Zittertempo ab. Der Innendruck versucht sich zu entladen, wird aber in gleichem Maße kontrolliert, sodass Zittern und Zucken kein Ende nehmen. Ein wirkliches Loslassen der gespeicherten Erregung fällt dem Organismus zu schwer.

 

        Noch einmal will ich den traumatisierenden Kurzschluss zusammenfassen:

Bei Gefahr oder einem Unfall werden schlagartig die Abwehrreflexe im autonomen NS aktiviert und mit einer enormen Energie in Kraft gesetzt. Einfach gesagt: Man reagiert wie „elektrisiert“ und ist sofort „hoch geladen“. Hätte unser Organismus auch die Möglichkeit, diese hochaktivierte Energie in eine Aktion umzusetzen, würde man eine extreme Leistung vollbringen, man würde rennen, kämpfen und heftigst reagieren.  In traumatisierenden Situationen wird daraus aber ein "Kurzschluss", da das überwältigende Erlebnis den Organismus dazu zwingt, die aktivierte Energie sofort zu drosseln und einzufrieren.

 

                Um sich davon ein anschauliches Bild zu machen, nehmen wir einmal das Beispiel eines Skiunfalls

Wenn man auf der Abfahrtspiste bei hohem Tempo die Kontrolle verliert und durch die Luft fliegt, sich dabei mehrfach überschlägt und dann gewaltsam auf ein Hindernis (wie z.B. einen Baum) prallt, schaltet unser autonomes Nervensystem blitzschnell auf Lebensbedrohung um. Es fährt den Adrenalinpegel (und weitere Hormone) „auf Hundert“ und aktiviert die Rettungs- und Abwehrreflexe. Die können aber gar nicht in Kraft treten und sich aktiv entladen, da jede Orientierung und Rettung unmöglich ist. Beim schlagartigen Aufprall krampft sich das Nerven- und Muskelsystem schockartig zusammen. Aufgrund dieser starken Blockierung ist es dann nicht mehr in der Lage, die geballte Energie wieder loszulassen und zu entladen. Und so bleibt die aufgeladene Energie im Organismus „eingefroren“.  Diese krampfartig eingefrorene Spannungsenergie wird zur chronischen posttraumatischen Belastungsstörung, die latent und dauerhaft bestehen bleibt.

 

     Bei einem sexuellen Missbrauch oder beim extremeren Fall einer Vergewaltigung ist die physiologische Reaktion im Prinzip die gleiche, nur kommen noch „lähmende“ Gefühle von Scham und Ekel hinzu. Schamgefühle können sehr stark sein und zu einem anhaltenden Einfrieren und „Einschrumpfen“ des Fühlens überhaupt führen (besonders im Brustraum fixiert sich dabei ein erstarrter Gefühlszustand). Bei frühen Erlebnissen – insbesondere in der Kindheit – kann diese Art von „Abschaltung“ im Organismus so nachhaltig sein, dass auch die Erinnerung daran nachhaltig schwindet.

 

        Die gestauten Abwehrreaktionen, die zu einem Trauma führen, gehen weit über das Maß gewöhnlicher Stressbewältigungen hinaus.  Bei einem Unfall, einem schweren Sturz, einer Lebensbedrohung, einer kindlichen (Krankenhaus-)Isolation, einer Vergewaltigung, einem sexuellen Missbrauch oder ähnlichen unausweichlichen und angstvollen Situationen können die aufgeladenen Rettungsreflexe nicht angemessen in Kraft treten und ausagiert werden – es geht ja weder vorwärts in den Kampf, noch rückwärts in die Flucht, und daher tritt eine fixierte Erstarrung und Immobilität ein: das NS hemmt sich selbst und bewirkt einen dauerhaften Stau im Fluss der Energie und der Antriebskraft.

 

       Vergleichbar ist dieser energetische Stau mit einem Fluss, der vor eine Staumauer prallt (die ‚Staumauer’ im NS wird von der bremsenden Erstarrungsreaktion gebildet). Zunächst steigt durch den Stau der Wasser-Druck (entsprechend der Gefühls-druck). Und da das Wasser nicht mehr vorwärts strömen kann, wird es zwangsläufig abwärts gedrückt: Sichtbar wird das vor einem Flusswehr, indem sich dort sogartige Strudel bilden, in denen sich das Wasser selber runterdrückt: Das Wasser (und entsprechend auch die vitale Energie) „säuft gewissermaßen ab“.

   So erlebt z.B. ein Schwimmer, der in einen Strudel gerät, wie es ihn sogartig hinunterzieht. Übertragen auf unsere Psyche heißt das: aufgrund des Traumas erleben wir, wie unsere seelisch-körperliche Energie immer wieder sogartig weggezogen wird, was man dann als einen Energieabfall, als Antriebslosigkeit, als "Depression" oder auch als zeitweiligen geistigen „Blackout“ erleben kann. Eine fatale Dynamik scheint uns zu schwächen – und dabei fühlen wir uns nicht mehr im 'geerdeten' Gleichgewicht.

 

   Infolge dieses labilen Energiezustandes sinkt auch unser Mut und die Fähigkeit, gegen alltägliche Belastungen und Frustrationen gegenan zu gehen. Dies entspricht wiederum dem Vergleich mit dem Schwimmer im Strudel: Je mehr er sich anstrengt, um gegen den Strudel gegenan zu kommen, desto mehr erschöpfen sich seine Kräfte und er wird dennoch runtergezogen.

 

      Dieses Schwinden der Kräfte infolge eines energetischen Abwärtssogs kann man entsprechend auch in Trauma-Symptomen erkennen: Beispiele dafür sind eine irrationale sogartige Höhenangst oder ein phasenweises Schwinden der verfügbaren Energie, häufig auftretende Müdigkeits- oder Erschöpfungszustände, Gedankenschwund und Konzentrationsschwäche. Auch unbegründete Ängste oder ein Gefühl von Bodenlosigkeit können auf dieser schwächenden Sogwirkung beruhen. 

   In nächtlichen Träumen kann so eine energetische Struktur in angstvollen Traumbildern auftreten, in denen man z.B. haltlos am Rand eines steilen Abhangs oder auf der hohen Kante eines Hochhauses steht und die Angst erlebt, sogartig in die Tiefe zu stürzen. Allgemein gilt für unsere Psyche: was wir an bedrohlichen Erlebnissen verdrängen mussten, das drängt sich uns im Traumerleben wieder auf.

        Beim Stichwort „Energiemangel“ denkt man unwillkürlich daran, durch eine sportliche Aktivierung oder durch Yoga und Körpertherapien etc. dem Energieschwund entgegenzuwirken. Vorübergehend können solche Aktivitäten auch hilfreich sein, aber sie lösen das Trauma nicht (- sie aktivieren oft nur eine verstärkte Hormonausschüttung, die die blockierende Traumawirkung kompensiert).

 

   Um zu verstehen, warum aktivierende Übungen und Therapien im Falle eines Traumas wenig ausrichten, muss man sich eine physiologische Reaktion vor Augen halten, die ich bisher nur kurz erwähnt habe: Ich meine das Phänomen der physiologischen Abspaltung oder Dissoziation des Traumas. Unter Dissoziation versteht man die Fähigkeit unseres Nervensystems, einen im Körper gespeicherten Trauma-Komplex auf Dauer abzuspalten, ihn also zu isolieren und zu unterdrücken. Will man sich von dieser physiologischen Reaktion ein Bild machen, müsste man sich an Berichte erinnern, wo Menschen in extrem bedrohlichen und lebensgefährlichen Situationen trotz schwerer traumatischer Verletzungen dennoch handlungsfähig geblieben sind und manchmal sogar zu außergewöhnlichen rettenden Leistungen fähig waren.  So weiß man z.B. von Soldaten, die mit blutig aufgerissenem Körper dennoch weiter kämpfen oder zur Flucht fähig sind und ihre schwere Verwundung dabei manchmal kaum bemerken. Das bedeutet, dass ein traumatisierter Mensch auch unter Schock (z.B. in einer Katastrophensituation) noch funktionieren kann. Erst später, wenn er aus der bedrohlichen Situation heraus ist, bricht er kraftlos und schmerzgepeinigt zusammen.

 

    Solche Beispiele zeigen, dass unser autonomes NS in der Lage ist, einen Traumakomplex derart zu isolieren und abzuspalten, dass wir vom ‚lähmenden’ Trauma nur unterschwellig behindert werden. (Physiologisch gesehen, schaltet das autonome NS die Synapsen ab, die die fließende Vernetzung zwischen den Nervenzellen herstellen.) Durch diese Fähigkeit einer Abspaltung versetzt uns das NS (unwillkürlich) in die Lage, auch in bedrohlichen Situationen noch einsatzfähig zu sein und uns zu retten.

(In Situationen, die für uns übermäßig peinlich gewesen sind – wie z.B. einem frühen sexuellen Missbrauch – kann sich der peinigende Schmerz eines Schamgefühls in einer Weise abspalten, dass unser NS die Erinnerung daran später geradezu ausblendet.)

 

        Gerade die reflexartige Dissoziation, in der ein Trauma-Komplex sich gewissermaßen selbst verdrängt, wird für die menschliche Psyche zu einem Problem. Denn eine stärkere Dissoziation entwickelt sich zu einer dauerhaften „Sperre“, die den (unterschwelligen) Energiefluss im Organismus teilweise blockiert und sich später nur schwer auflösen lässt. 

  Um die latenten Traumaspannungen schrittweise abzubauen, muss insbesondere die abspaltende Dissoziation aufgelöst werden. Dazu bedarf es eines subtilen Lösungsprozesses im Organismus, der eine primäre Aufgabe in der Traumatherapie ist. Auch wenn das traumatische Erlebnis aus der Erinnerung verdrängt ist (oder gar auf andere Erlebniskomplexe übertragen und „verschoben“ ist), kann man über den inneren Körperspürsinn die Verbindung zu den abgespaltenen Traumakomplexen wiederfinden und den Energiestau zu neuem Fluss erwecken  – denn der Körper erinnert sich.  

 

 

 Ursachen von Traumata

    

Generell gesehen gibt es sehr viele Anlässe, die ein chronisches Trauma auslösen können: Das können Unfälle und Stürze sein, bei denen wir entweder durch Schreck und Schock oder durch Prellungen und schmerzhafte Verletzungen physisch überlastet werden. Besonders gravierend sind natürlich Gewalterfahrungen durch tätliche Angriffe, Überfälle und Vergewaltigungen oder durch sexuellen Missbrauch.  

        Viele Traumatisierungen hängen naturgemäß mit Kriegs- oder Katastrophenerlebnissen zusammen. Man denke nur an die mörderischen Fronterlebnisse von Soldaten, oder an die nächtlichen Bombardierungen oder an die Schicksale von Flucht und Vertreibung, denen die Kriegsgeneration ausgesetzt war.

 

     Ein anderes Feld, dass man gewöhnlich wenig im Auge hat, sind traumatische Prägungen, die durch symbiotisches unbewusstes Mitfühlen gewissermaßen „übernommen werden: So können wir als Kinder von traumatisierten Eltern beeinflusst und belastet werden, sodass auch wir bis zu einem gewissen Grad unter deren (verdrängten) Traumaspannungen leiden. Denn was Eltern verdrängen, drängt (unterbewusst) unwillkürlich in die Psyche der Kinder – diese Tatsache ist inzwischen eine geläufige psychologische Erkenntnis. Wer einmal in einer Familienaufstellung miterlebt und mitgefühlt hat, wie sehr die Gefühlsspannungen und traumatischen Komplexe von Eltern in ihren Kindern emotional anwesend sind und von ihnen weitergetragen werden, der bekommt einen Eindruck davon, wie sehr sich die traumatischen Schicksale naher Angehöriger übertragen können.

   Besonders in der frühen Kindheit, in der wir mit den Eltern noch in einer symbiotischen Verbundenheit leben, geschieht es, dass spannungsreiche ‚Einflüsse’ unbewusst von der Psyche aufgenommen werden und wir dadurch ein belastendes ‚Erbe’ tragen. Man denke nur an die zahlreichen traumatischen Belastungen, denen die Kriegsgeneration ausgesetzt war. Als bedrückende seelische „Schatten“ können solche unaufgelösten Traumakomplexe in der Psyche der nachfolgenden Generation untergründig weiterleben.

     In Fällen solcher „übernommenen“ Gefühlskomplexe würde sich als lösender Schritt zunächst einmal eine systemische Familienaufstellung empfehlen, um sich aus den unbewusst gespeicherten und schwer fassbaren Prägungen sukzessiv zu befreien. (Dabei bedarf es eines erfahrenen Therapeuten, der die übertragenen Gefühlskomplexe auch stimmig einzuschätzen und zuzuordnen weiß - denn bei einer 'verkehrten' Wahrnehmung könnte die Verwirrung auch noch zunehmen.)

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       Neben den dramatischen Ereignissen gibt es auch eine ganze Reihe von Ursachen, die man oft als harmlos einstuft und die dennoch nachhaltige traumatische Wirkungen hinterlassen können. Auch Geschehnisse, die wir gewöhnlich gar nicht als überwältigend und lebensbedrohlich ansehen, können Traumatisierungen hervorrufen. So kann eine schwere Geburt (mit übermäßig langen Presswehen oder einer heftigen Verwicklung mit der Nabelschnur u. ä.) bereits zu einer traumatischen Grundprägung führen. Auch Krankenhaus-aufenthalte und chirurgische Eingriffe, also medizinisch notwendige Operationen, können, besonders in der frühen Kindheit, durchaus eine traumatische Überforderung bedeuten.  Überhaupt sind wir in der Kindheit, in der unser Nervensystem und unsere Abwehrkraft noch nicht ausgereift und sehr empfindlich sind, besonders gefährdet.

 

In der Kindheit können auch Verlassenheitsängste, plötzlicher Verlust eines Elternteils oder lebensbedrohende Erkrankungen uns derart überfordern, dass eine unterschwellige Trauma-Spannung zurückbleibt. Im allgemeinen unterschätzt man, wie leicht unser Organismus in eine Traumatisierung geraten kann.

 

   Gerade in der Kindheit, in der unser NS hochempfindlich ist, können Operationen, Narkosen und zeitweilige Isolation traumatische Folgen hinterlassen. Es klingt so harmlos, wenn man davon spricht, dass ein Kind an den Polypen, an den Mandeln oder am Blinddarm operiert worden ist, denn solche Operationen sind ja nicht lebensgefährlich und gehen gewöhnlich gut aus. Die psycho-physische Verarbeitung einer solchen Operation geht allerdings oft gar nicht gut aus – auch wenn dabei kaum Tränen geflossen sind.

 

    Um das zu illustrieren will ich an dieser Stelle (aus dem Buch „Trauma-Heilung“ des Traumaforschers Peter Levine) die Erinnerung eines erwachsenen Mannes zitieren, der als Vierjähriger eine scheinbar harmlose Operation mit Äther-Betäubung über die früher übliche Äthermaske erlebte. Rückblickend beschreibt er es so:

         „Ich kämpfte mit maskierten Riesen, die mich an einen hohen weißen Tisch banden. In dem kalten, harten Licht, das mich blendete, sah ich die Silhouette einer Gestalt, die mit einer Maske auf mich zukam. Die Maske hatte einen scheußlichen Geruch, der mich zum Würgen brachte. Ich versuchte, mich zu wehren, als sie auf mein Gesicht gedrückt wurde.  Ich versuchte verzweifelt zu schreien und mich wegzudrehen, doch ich drehte mich in einem schwarzen Tunnel, in dem ich schreckliche Halluzinationen bekam.  Später wachte ich in einem graugrünen Raum auf. Abgesehen von einem rauen Hals schien es mir gut zu gehen. Aber das war nicht so.

Ich fühlte mich völlig verlassen und verraten. Man hatte mir nur gesagt, ich würde meine Lieblingseissorte bekommen und meine Eltern würden bei mir bleiben. Durch die Operation verlor ich den Glauben an eine sichere, verstehbare Welt, zu der ich in Beziehung treten konnte. Ein tiefes Gefühl der Scham überwältigte mich, und außerdem fühlte ich mich sehr schlecht.  

Noch Jahre nach dieser schrecklichen Erfahrung hatte ich jeden Abend vor dem Schlafengehen Angst. Manchmal wachte ich mitten in der Nacht auf, um Atem ringend und zu verängstigt und beschämt, um zu weinen. Mit meiner Angst, ich könnte ersticken, lag ich dann allein in der Dunkelheit.

  Als ich sechs oder sieben Jahre alt war, wurden meine Symptome durch familiären Stress und Druck in der Schule stärker. Deshalb wurde ich zu einer Kinderpsychologin gebracht. Doch diese schien sich nur für einen struppigen weißen Stoffhund zu interessieren, den ich neben mir haben musste, um einschlafen zu können. Den Grund für meine Angst und meine starke Scheu fand sie nicht heraus. Offenbar setzte die Frau darauf, mein Problem zu lösen, indem sie mir noch mehr Angst machte. Sie erzählte mir, welche Probleme ich als Erwachsener bekommen könnte, wenn ich ein Stofftier bräuchte.  Ich muss zugeben, dass die Therapie in dieser Hinsicht „funktionierte“.  Ich warf meinen Stoffhund weg, doch meine Symptome blieben weiter bestehen, und es kamen chronische Angstanfälle, häufige Magenschmerzen und andere ‚psychosomatische’ Probleme hinzu, unter denen ich während meiner gesamten Schulzeit litt.“   

 

            Im Laufe meiner Praxisjahre habe ich viele ähnlich lautende Berichte von Klienten gehört. Eine Klientin, die als kleines Kind eine Mandeloperation mit Ätherbetäubung erlebt hatte, erzählte mir, sie habe vor einigen Jahren mal im Sessel vor dem Fernseher gesessen und den Aufnahmen von einer Mandeloperation zugesehen. Dabei sei plötzlich die traumatische Kindheitserinnerung in ihr durchgebrochen und sie sei im Sessel sitzend ohnmächtig geworden. 

 

             Ich will hier noch kurz auf die eben gehörten Symptome des vierjährigen Jungen eingehen. Solche Operationen sind ja manchmal nötig und unvermeidbar. Aber ganz gleich, was Sie einem Kind zu seiner Beruhigung auch sagen würden, im Moment, in der die Äthermaske kommt, und im Moment, in dem die Instrumente eines Chirurgen sichtbar werden, reagiert im Organismus nicht mehr der bewusste Verstand, sondern der unbewusste Instinkt. Und das heißt: das reflexartig reagierende Abwehrsystem aus dem Stammhirn tritt unwillkürlich in Kraft.  Das autonome Nervensystem versetzt den Organismus in einen hochaktivierten Alarmzustand. Unsere Instinktebene im Stammhirn, die wir mit den Säugetieren gemein haben, reagiert eben nicht auf beruhigende Worte.

 

    Die hohe energetische Erregung, die der Organismus aufgrund des „operativen Angriffs“ entwickelt, führt oft zu einer krampfhaften AngstDiese Angstspannung bleibt wie „eingefroren“ bestehen, da ja keine spätere Entladung der angehaltenen Energie erfolgt.  Und so kann der im NS gespeicherte Krampf jemanden noch jahrelang verfolgen: „Jeden Abend vor dem Schlafengehen hatte ich Angst“,  heißt es in dem Bericht.

Aber warum gerade beim Schlafengehen, das doch eigentlich Ruhe und Sicherheit bedeutet?  Die Erklärung ist einfach: Beim Einschlafen löst sich die tagsüber stabilisierende Selbstkontrolle im Nervensystem. Man sinkt energetisch auf eine tiefere und nicht kontrollierte Ebene – und von dort aktiviert sich wieder die traumatische Spannung, die tagsüber kompensiert war, und infolge dessen wird das Kind wieder von Angst heimgesucht:  „Manchmal wachte ich mitten in der Nacht auf, um Atem ringend und zu verängstigt und beschämt, um zu weinen. Mit meiner Angst, ich könnte ersticken, lag ich dann allein in der Dunkelheit.“

 

- Wie kommt es zu dieser Erstickungsangst?  Um das zu verstehen, muss man sich die Wirkung der Äthernarkose vergegenwärtigen. Äther ist eine toxische Flüssigkeit, die auf der Maske, die man dem Patienten aufs Gesicht drückt, verdampft und so eingeatmet wird. Im Verlauf der Ätherbetäubung, die viele quälende Minuten lang dauert, erlebt man zunächst, wie der Körper allmählich immer starrer wird. Man fühlt sich zunehmend bleiern und wie gelähmt. Dadurch mobilisiert sich im Nervensystem unwillkürlich eine abwehrende Energie, doch der bedrohliche "Feind" ist der eigene Atem, den der Körper nicht anhalten kann -  und so wird mit jedem Atemzug die empfundene Lähmung stärker. Sie fühlt sich an wie ein schleichender Angriff auf das Leben. Man „atmet gewissermaßen Lähmung ein“ und hat Angst zu erstickendenn man ist zunächst noch bei vollem Bewusstsein.

   Die Ätherbetäubung fühlt sich keineswegs wie ein sanftes Einschlafen und Hinübergleiten ins Unbewusste an. Im Gegenteil: unser Nervensystem erlebt den lähmenden und scheußlich riechenden Äther-Atem wie eine Bedrohung, die unser Organismus nicht einordnen kann. Daher werden unwillkürlich starke Abwehrreflexe aktiviert, die eigentlich Flucht oder Abwehr auslösen würden. Aber Sich-wehren und Sich-bewegen ist unmöglich – und so entsteht im Inneren eine chaotische energetische Fliehkraft, die gleichzeitig erstarrend blockiert wird.

 

Im Organismus spielt sich ein energetischer Kampf ab: das NS kämpft ohnmächtig gegen die betäubende bleierne Wirkung des Äthers. Was für das NS eines Erwachsenen noch einigermaßen verkraftbar sein kann, wird für ein Kind zu einem leibhaftigen Alptraum, in dem es von quälenden Halluzinationen überfallen wird. Ein Klient hat es mal so ausgedrückt: „Ich habe mich in der Narkose wie in einer unheimlich rasenden Wäscheschleuder gefühlt“. Das erklärt sich dadurch, dass beim unwillkürlichen „Abwehrkampf“ des Gehirns erdrückende Energiewellen auf einen einzustürzen scheinen, bevor die eigentliche Betäubung einsetzt. Im Kampf gegen den Äther spürt und „sieht“ man dabei im Inneren, wie sich energetische Lichtpunkte mit rasender Geschwindigkeit im dunklen Nirgendwo im Kreise drehen, so als flöge man in einem grenzenlosen schwarzen Raum oder einem Tunnel umher.

  Eine weitere Irritation geschieht beim Äther mit dem Atmen. Wenn wir atmen, fühlt es sich gewöhnlich an wie „Kraft schöpfen“ und belebt werden.  Wenn man aber Äther einatmet, ist unsere Natur zutiefst irritiert: atmen fühlt sich nicht mehr wie lebendig-werden an, sondern wie „absterben“ und ersticken. Darum versucht das NS, die ‚vergiftete’ Luft zu vermeiden und den Atem anzuhalten. (Unwillkürlich verkrampfen sich das Zwerchfell und die Atemorgane. Kein Wunder, wenn man als Folge davon später dazu neigt, flach zu atmen und bei geringem Stress schon die Luft anhält.)

   Häufig hört man die Beschwichtigung, dass eine solche Ätherbetäubung nur wenige Minuten (in einigen Fällen bis zu 10 Min.) dauern würde und wir aufgrund der Betäubung dann nichts mehr empfinden würden - doch das ist kurzsichtig: Nicht das Bewusstsein wehrt sich auf verkrampfende Weise, sondern das NS selber. Und das reagiert auch noch während der Operation auf den 'vergifteten Atem', denn es wird permanent Äther nachgeträufelt. Gerade die abgespaltene unbewusste Traumatisierung macht eine spätere Lösung so schwierig.

  Ein Zeichen der starken Verkrampfung im NS ist auch eine übermäßige Reizung des Magens durch den Äther: Wenn ein Patient aus der Äther-Narkose erwacht, steht die Spuckschale schon bereit, da der Patient sich übergeben muss.

   Nach dem Ende der Narkose nimmt man an, dass damit auch die Tortur ausgestanden ist und allmählich abklingen wird.  Doch die erlittene traumatische Verkrampfung bleibt unterschwellig im NS 'eingefroren' - und das bedeutet eine  latente und dauerhafte energetische Schwächung. 

   Äther-Narkosen, vor allem, wenn sie in der Kindheit erlitten wurden, gehören zu den gravierenden Traumata, die obendrein schwer wahrzunehmen sind.  Um die unbewusste 'Betäubungs-Information' zu löschen, sind bestimmte homöopathische Mittel sehr hilfreich, müssen aber (auch in der Potenz) sehr genau ausgewäht werden. Ich habe damit in meiner Praxis gute Erfahrungen gemacht.

   Unser Organismus versucht die energetische Schwächung durch eine solche Narkose später zu kompensieren, doch die unbewusste Kompensation ersetzt keine Auflösung - sie beansprucht vielmehr unsere Kräfte. Und so sind die typischen Spätfolgen einer solchen Traumatisierung chronisch wiederkehrende Zustände von erhöhter Müdigkeit und eine allgemeine Reduzierung unseres 'Energiepegels'.

         Seit etwa Mitte der Siebziger Jahre hat man die Äthernarkose aus der Medizin verbannt. Aber es sind Abertausende, die unter ihrer Wirkung gelitten haben, vor allem als sie Kinder waren.

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Trauma-Symptome

     

 Im folgenden möchte ich einen gerafften Überblick über typische Symptome geben, die durch Traumatisierungen entstehen können:

Auffällige Symptome sind unter Druck auftretende Angst- und Beklemmungszustände. Oder es können – auch bei relativ harmlosen Anlässen – hektische oder auch panische Überreaktionen auftreten. In schwierigen Situationen verliert man leicht die Fassung und die nüchterne Kontrolle über sein Verhalten. Eine solche starke Erregbarkeit kann sich im Laufe der Zeit – insbesondere bei mehrfacher Traumatisierung - ausdehnen und zu einem wiederkehrenden Gefühl von Bodenlosigkeit oder Hilflosigkeit werden.

  Auch in der Nacht, wenn die Kompensations- und Kontrollmechanismen unseres Organismus nachlassen, kann ein Traumatisierter von unbegründeten Angstanfällen und Beklemmungen heimgesucht werden.

 

    Neben solchen deutlichen Symptomen, gibt es eine Reihe von Auswirkungen, die man oft gar nicht mit einem zurückliegenden schockierenden Erlebnis oder Unfall in Verbindung bringt - eben darum weil das Erscheinungsbild so diffus erscheint. Ich meine damit eine Symptomatik, die sich z.B. als ein chronischer Energiemangel erweist. Die Betroffenen leiden einfach nur unter einem häufigen Energieschwund, einem Antriebsmangel, einer latenten Gehemmtheit oder unter chronischer Müdigkeit, auch wenn man eigentlich genug geschlafen hat.

    In diesen Zusammenhang gehört auch ein diffuser Zustand von Erschöpfung, etwa so als würde einen gelegentlich eine bleierne Müdigkeit nach unten ziehen. Derartige posttraumatische Erschöpfungszustände fühlen sich deutlich anders an als z.B. eine wohlige Erschöpfung nach einer starken körperlichen Anstrengung wie etwa dem Bergsteigen. Man erlebt eine dumpfe Schwere, in der man mehr ‚versackt’, als dass man sich darin lösend entspannt.

 

    Die Idee, dass die Ursache für Kraftlosigkeit und mangelnden Antrieb in einem lange zurückliegenden (und vielleicht auch nur kurzen) traumatischen Ereignis liegen könnte, kommt einem meistens gar nicht. Denn dafür scheinen Ursache und Wirkung viel zu weit auseinander zu liegen. Wir glauben, dass die „Zeit“ es längst hätte heilen und ausgleichen müssen. Doch der Organismus und sein Nervensystem kennen keine lösende Zeit. Wenn energetische Strukturen einmal entstanden und nicht wieder gelöst sind, bleiben sie auf einer organischen Ebene ein Leben lang gespeichert und eingefroren. 

 

         (Wer einmal auf kinesiologische Weise seinen Körper nach früheren Einflüssen „abgefragt“ hat, der ist erstaunt, wie zuverlässig unser Körper alles, was er erlebt und nicht integriert hat, unterschwellig speichert. Wer allerdings darauf hofft, durch eine kinesiologische Reflexbehandlung die Wirkungen eines Traumas direkt lösen und ausgleichen zu können, der unterschätzt die eingetretene Dissoziation, die komplexe „Absicherung“ der traumatischen Strukturen, und den hohen Grad der unterdrückten energetischen Ladung.)

 

   Wenn unser Organismus einmal eine Überspannung entwickelt hat, bleiben wir so lange darin „überspannt“, bis wir die im Stammhirn fixierte Auflösung vollzogen haben. Ausdruck einer derart tief sitzenden Gespanntheit können auch chronische muskuläre Verspannungen sein, von denen die hartnäckigen Rückenschmerzen die verbreitetsten sind.

   Ein noch stärkeres Symptom von Anspannung sind chronisch gewordene Kopfschmerzen oder Migräneanfälle. ( Natürlich müssen Kopfschmerzen nicht immer eine traumatische Ursache haben – aber gerade chronische Zustände deuten oft darauf hin.)

Es ist naheliegend, dass auch die Neigung zu einem schnell anspringendem aggressiven Verhalten auf unterdrückter Abwehr beruht. Auch eine häufige Rastlosigkeit und innere Unruhe lässt sich auf eine Trauma-Spannung zurückführen. (Ebenso kann an den heute so häufig auftretenden Burnout-Syndromen ein ungelöster Traumakomplex mitwirken.)

  

    Wenn man sich vor Augen hält, dass durch ein Trauma in einer tiefen Schicht des Nervensystems ein fixierter Stau entstanden ist, dann wird man sich auch vorstellen können, dass der Fluss der Lebenskräfte vom Grunde aus eingeschränkt ist, auf körperlicher Ebene ebenso wie auf emotionaler und mentaler Ebene. Auch wenn unser Gehirn diesen Stau so gut wie möglich zu überwinden versucht, indem es sich kompensierend  organisiert, so bleibt doch die Tatsache, dass wir untergründig mit einer Hemmung und "Geladenheit" leben. Und natürlich beeinflusst dieser hemmende Stau auch unsere geistige Präsenz und reduziert unsere Konzentrations-fähigkeit, indem unsere Gedanken wie aufgeladen hin und her schwanken.

    In gravierenden Fällen kann eine traumatische Struktur auch wie eine geistige „Sperre“ oder „Verzerrung“ wirken, die uns in einer Weise beeinträchtigt, dass wir die Verhältnisse der äußeren Realität nicht mehr „objektiv“ wahr-nehmen und beantworten können. Und dies kann dann wiederum unsere menschliche Kontaktfähigkeit  schwächen.

 

                   Es ist auffällig, dass Traumasymptome häufig erst lange nach dem eigentlichen Trauma-Ereignis manifest werden, denn unser Organismus kann, solange er noch flexibel genug ist, erstaunlich vieles kompensierend ausgleichen. Aus diesem Grunde sind die diffus erscheinenden und schwer einzuordnenden psychosomatischen Symptome oft die Spätfolgen einer lange und oft bis in die Kindheit zurückreichenden Traumatisierung. 

 

    Abschließend noch eine einschränkende Bemerkung: Die aufgeführten Symptome müssen nicht unbedingt und ausschließlich ihre Ursache in einem deutlichen Trauma-Erlebnis haben - auch aufgrund anderer belastender Ursachen, Entbehrungen und entwicklungsgeschichtlicher Defizite können wir verkrampft und 'traumatisiert' werden. Gerade in frühen Entwicklungszeiten kann unsere psychophysische Natur nachhaltig wirkenden Überlastungen ausgesetzt sein.

  

Eine hier anschließende Beschreibung der therapeutischen Auflösung finden Sie im

nächsten Kapitel:  Dazu bitte in der Suchleiste  "Trauma-Therapie" anklicken.

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